„Wenn wir davon überzeugt sind, unseren Umgang mit den verfügbaren Ressourcen zum Wohle der Menschheit radikal ändern zu müssen, so stellt sich die Frage – woher glauben wir zu wissen, was für wen zu viel und was zu wenig ist?
So notwendig und klar ein allgemeines Bekenntnis zur Reduktion zu sein scheint – sobald es darum geht, konkrete Entscheidungen zu treffen und Konsequenzen zu ziehen, zeigen sich erstaunliche Differenzen in den unterschiedlichen Weltbildern über die Rechte, Pflichten und Aufgaben der Menschen. Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass die Aufforderung zur Genügsamkeit schon oft von jenen propagiert wurde, die auf diese Weise auf ihre Rechnung kamen.
Wenn also weniger mehr ist, dieses MEHR jedoch kein Begehren auslöst, so mangelt es offensichtlich an überzeugenden Bildern in unseren Köpfen. Die Idee, Wettbewerb und Wachstum seien die Basis, um ein Paradies auf Erden zu schaffen, beherrscht weite Teile der Welt. Jene Zeichen, die uns zu einem MEHR UND MEHR verführen, scheinen wirkungsvoller zu sein, als alle Versuche, uns unsere Verantwortung für unser Handeln bewusst zu machen.
Welchen Beitrag könnte Gestaltungsarbeit leisten, damit wir Lust bekommen uns mit den Konsequenzen unserer Lebensführung auseinander zu setzen? Design besitzt heute in vielen Fällen die Funktion Hintergründe und Zusammenhänge zu verdecken und zu verschleiern.
In einer technischen, von ‚abstrakten’ Beziehungen geprägten Welt wird es daher immer schwerer zu verstehen, welche Folgen unser Handeln nach sich zieht. Bei dem Konsum von Waren und Dienstleistungen wissen wir oft nicht, unter welchen Bedingungen diese entstanden sind oder möglich gemacht wurden. Verantwortung können wir jedoch nur dann übernehmen, wenn wir zumindest eine Ahnung davon bekommen, was wir zu verantworten haben.
Der Weg zu einem wacheren Blick auf die Folgewirkungen unseres Handelns ist nicht zwangsläufig durch eine ‚reduzierte’, also minimalistische Gestaltungssprache zu erreichen. Der beliebte Trend zu radikalen Vereinfachungen ist hoch riskant und führt vorwiegend zur Verschleierung von Sachverhalten und zur Radikalisierung von Standpunkten. Um jene Probleme zu lösen, die wir als drängend erachten, wird es immer notwendiger auch komplexe Zusammenhänge so aufzubereiten, dass wir damit umgehen können. Gefragt ist daher die Entwicklung von Gestaltungssprachen, die uns den Blick auf Zusammenhänge nicht verwehren, sondern uns helfen, Strukturen zu erkennen und sinnlich zu begreifen. …"
XXL – mehr geht nicht / XXS – weniger geht nicht
2010 | Dornbirn | FH Vorarlberg | Symposion „Reduktion”