Verändert sich das Werkzeug Schrift? Gibt es eine Zukunft der Schrift? Hat sich unser Nutzungsverhalten des Werkzeugs Schrift gewandelt? Ausgangspunkt der Überlegungen bildet das Buch ‚Die Schrift’ von VilémFlusser. Es befasst sich mit der Frage, ob die zentrale Rolle der Schrift in unserer abendländischen Kultur nicht durch neue, multimediale Techniken abgelöst wird. Seine These: Wir nehmen Abschied vom Buch als Archiv, Abschied vom Papier als Schauplatz der Schrift, Abschied vom Alphabetisch-Literarischen als Medium des Wissens. Hat Vilém Flusser recht behalten mit seinen Thesen?
Bereits Sokrates verdeutlichte die ambivalente Wirkung von Schrift: ‚Vater der Buchstaben, du hast diesen Zeichen in deinem Überschwang eine Macht zugeschrieben, die sie in Wahrheit nicht besitzen... Du hast ein Elixier erfunden, das kein Gedächtnis gibt, sondern erinnert. Du bietest deinen Schülern nur den Schein der Weisheit an, nicht die wahre Weisheit; denn sie werden viele Dinge ohne Anleitung lesen, und darum werden sie scheinbar vieles wissen, obwohl sie zum größten Teil unwissend sind.’
Trotz aller multimedialen Optionen, ist Schrift noch immer ein zentrales Werkzeug um Informationen zu speichern und auszutauschen. Auch heute ist vielen der Zugang zu Texten verwehrt. Bei mehr als der Hälfte aller Staaten der Erde liegt die Illiteralität bei über 50% der Bevölkerung.
Am Anfang war das Wort. Mittels Worten ist es uns gelungen sinnstiftende, zusammenhängende Weltbilder zu konstruieren. Aus den Texten wurden Programme, die unser Verhalten und unsere Wahrnehmung bestimmen. Zerfallen diese Bilder bei näherer Betrachtung einfach wieder in unfassbare, unzusammenhängende Partikel?
Schrift ist nicht mehr nur bedeutsamer Teil sichtbarer Oberflächen, sondern strukturiert in Form von Programmen immer weitere Bereiche unseres Lebens. Wenn Zivilisation darin besteht, möglichst viele Ernstfälle in spielerische Ersatzhandlungen zu überführen, dann haben wir mit der Computertechnik ein Werkzeug geschaffen, dass durchaus im Stande ist unsere Zivilisation fortschreiten zu lassen. Entscheidend ist und bleibt, ob die Technik allen Menschen dient, oder nur zum Vorteil einzelner Personen oder Institutionen geschaffen wurde.
Das Neue macht uns Angst und es fällt uns unendlich schwer, Veränderungen zu akzeptieren. Aber unsere Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit ist auch unsere Stärke. Nur wenn wir bereit sind, uns auch grundlegend zu verwandeln, werden wir die Zukunft meistern können. ...
The Future of Writing | Die Zukunft der Schrift
TYPO Berlin 2005 | Change