Das können wir uns sparen! Textcollage von Andreas Koop und Markus Hanzer
novum – world of graphic design 02/2014
Vermutlich kennt es jeder: Einen Grund zum Sparen gibt es immer. Wirtschaftskrisen bieten sich sehr an, ebenso Umstrukturierungen – und Unternehmens-berater sehen ohnehin überall noch ein »Potenzial«. Gespart wird gerne auch beim Design; auf politisch-em Terrain ist es meist die Kultur ganz allgemein. Das fehlt ja keinem, sagt man. Interessant ist, dass man ein Weniger an professioneller Gestaltung durchaus mit mehr Empathie, mit Herz, ein Stück weit kompensieren könnte – aber gerade da wird am schnellsten gespart obwohl sie nichts kostet.
Das Sparen an sich hat natürlich seinen Wert, seinen Sinn. Der kommt ursprünglich aber eher vom »Ansparen« oder dem Vermeiden von Verschwen-dung, was legitim und nachvollziehbar ist. Doch irgendwann hat es angefangen, sich zu verselb-ständigen – das Sparen wurde zum Selbstzweck (man sieht es bei Apple und der Entlohnung ihrer chinesischen Zulieferer bei gleichzeitig unvorstell-baren Überschüssen), wurde zur Moral und beinahe heroisiert. Vermutlich geht dies einher mit einer grundsätzlichen und befremdlichen Tendenz in der Wirtschaft: das Wetten verdrängt die Investition. Spekulativ statt investiv zu agieren hat Konse-quenzen, die langsam aber sicher sichtbar werden. Wer investiert, glaubt an etwas, hat längerfristiges im Sinn, nimmt dafür ein gewisses Risiko in Kauf. Verbunden mit Arbeit, möchte man später ernten, was gesät wurde (was Banken immer weniger überzeugt). Das Wetten hingegen will schnellst- und größtmöglichen Gewinn, im Grunde egal mit was. Bei einer Wette allerdings ist es so, dass nicht alle gewinnen – einer gewinnt viel, viele nichts. Sie verlieren ihren Einsatz und unter Umständen auch mehr; es gibt ja die unglaublichsten »Finanz-produkte«. Passend zu dieser unaufhaltsamen Entwicklung, dass Arme immer ärmer und Reiche ständig reicher werden. Wer wettet, sorgt sich nicht um den Verlierer oder die Konsequenzen, kümmert sich nicht so sehr um Morgen.
Kommunikationsdesign, die Entwicklung von Corporate Designs, nachhaltigen Produkten etc. entsteht in Prozessen, die Zeit brauchen. Die sich entwickeln müssen, in einem Vorgang, der im Grunde auch kein Ende hat; dabei und dann aber durchaus einen »return of investment« generiert. Bekanntheit, Wiedererkennbarkeit, Image, Standing, »Begehrtheit« entstehen und wachsen, tragen Früchte und maßgeblich zum Erfolg bei. Witzigerweise auch zu Einsparungen durch Effizienz in den Anwendungen – Ersparnisse allerdings, die im besten Fall eben die Folge von hoher Qualität sind und nicht genau diese verhindern.
Es ist nicht uninteressant darüber nachzudenken, wozu dieses reflexhaft-unreflektierte kategorische Sparen an Design und Designern führen kann. Ebenso wie es einen Gedanken wert ist, zu Überlegen – um noch einen anderen, potenziell positiven, Aspekt zu erwähnen – was eine Wirtschaft, die sich vom »Ewigen-Wachststums-Gedanken« verabschiedet, für Gestalter bedeuten kann.
Würde man dadurch proportional weniger Arbeit haben? Oder umso mehr, um sich in einem kleiner werdenden Markt noch zu behaupten? Käme man vom Quantitativen eher zum Qualitativen, würde also weniger dafür besser machen und damit umso wahrscheinlicher einen Designer hinzuziehen?
Wir und unsere Werke können ja nicht separat und unabhängig von der Welt gedacht werden – sie sind gemacht um in die Welt zu ziehen! Und gerade deshalb sollte die strategische, ökonomische und politische Dimension von Design einen anderen Stellenwert erhalten. Den allerdings werden sich die Gestalterinnen und Gestalter selbst und hart erarbeiten müssen –damit vielleicht aber mancher »Sparattacke« besser begegnen, entgegnen können, sie bestehen und überstehen. Oder wie geht man damit um? Sollen und können wir uns entspannen, dürfen wir durchatmen und warten, bis genügend gespart ist und wieder in die Zukunft investiert wird? Oder war es ohnehin alles zuviel und beginnt die Zeit für Reduktion und Verzicht? Weniger ist mehr? Oder ist der Glaube, dass Anstrengung notwendig ist, um etwas zu bewegen, durch die Hoffnung auf schnelle Gewinne beim Wetten verloren gegangen? Braucht es überhaupt noch jemand, wo doch »Content« und »Templates« überall und billigst verfügbar sind? Wird es dann am Ende noch ein »authentischer« und spontaner Ausdruck, der gerade vom Fehlen der Verfeinerung und Kultivierung gewinnt?
Witzigerweise gibt es aber nach wie vor Gestaltungs-bereiche, in denen die Idee des Sparens keinerlei Rolle spielt und ganz im Gegenteil Verschwendung im Sinne eines Reichtums an Ideen, an Professionalität, an Liebe zum Detail dominiert? Sind sie, die in eine solche Gestaltung investieren einfach nur von gestern und unfähig zu begreifen, dass man sich das alles sparen kann? Kann man noch behaupten, Gestaltungsarbeit bedeutet eine Investition in die Zukunft, schafft Werte? Oder ist nicht jede Art der Formgebung bedroht, von der nächsten Modewelle in die Bedeutungslosigkeit gespült zu werden? Und müssen am Ende nicht sogar jene, denen Ausdrucks-vielfalt und Nuancenreichtum etwas bedeutet, auf den Plattformen, wo die Menschenmassen sich heute tummeln, gerade wieder auf formale Eigensinnig-keiten verzichten und sich an vorgegebene Rahmen anpassen?
Vielleicht sollten wir wirklich versuchen, jene, die um jeden Preis sparen wollen, uns zu ersparen. Denn ist es nicht oft so, dass gerade dies, was über das Notwendigste hinaus geht, eben auch das ist, was das Leben lebenswert macht, Freude bereitet, Energie gibt und begeistert: dieses »Mehr«, das spezielle Extra, das Besondere, das den Rahmen sprengt, unsere Erwartungen übertrifft und mehr ist, als wir zu Hoffen wagten?