Stefan Kaiser schreibt in der Einleitung zur Publikation >Die Zukunft der Evolution. Wie die Konvergenz der Spitzentechnologien den Menschen zum allmächtigen Schöpfer macht<: "Die Forschung hat sich des Unsichtbaren bemächtigt. Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaften setzen die Welt auf der Ebene von Atomen, Genen und Bits neu zusammen. Damit ist alles gestaltbar geworden - nicht nur Produkte, auch die Umwelt einschließlich des Menschen selbst. Es ist das Zeitalter des totalen Designs, in welchem die Menschheit es in der Hand hat, den Begriff der Natur neu zu definieren." Im Seminar stellen wir uns die Frage, welche Auswirkungen aktuelle technologische Entwicklungen auf die Bedeutung und die Möglichkeiten von Gestaltung zeigen könnten. Die Auseinandersetzung erfolgt in folgenden Themenblöcken:

 

1. Der Mensch als Maschine – Inwieweit hat die Interaktion mit Computersystemen und Maschinen unser Selbstbild verändert? Erleben wir uns als programmiert? Wenn unsere "Weltanschauungen" dem "Betriebssystem" eines Computers entsprechen, welche "Updates" sind zu erwarten?

 

2. Wahrnehmung und "künstliche Intelligenz" – Welche "Inputs" würden Computer brauchen, um in die Lage versetzt zu werden, die Welt in einer den Menschen vergleichbaren Weise wahrnehmen zu können? Ist die "Irrationalität", Unberechenbarkeit und Emotionalität des Menschen als Mangel und Softwarefehler zu betrachten oder sind es gerade diese Fähigkeiten, die einem Computer bislang fehlen, um eigenständige und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen zu können?

3. Mechanische Sklaven – Maschinen haben wir nicht nur erfunden, um uns die Arbeit zu erleichtern, sondern zum Beispiel auch, um als >Deus ex machina< im griechischen Amphitheater das Göttliche erlebbar zu machen. Heute erleben sich viele nicht nur von der Last der Arbeit befreit, sondern fragen sich, welche Aufgaben den menschlichen Fähigkeiten entsprechend verbleiben, um ein lebenswertes Leben zu führen? Ist demnach die Produktion von "Theaterdonner", die Suche nach Ausdrucksformen, mit denen wir uns gegenseitig die Aufmerksamkeit stehlen können, jenes Talent, das Menschen gegenüber Computerwesen auszeichnet?

 

4. Außer Kontrolle – Die Angst geht um, dass eines Tages die Menschen von Maschinen beherrscht werden. In etlichen Bereichen, wie zum Beispiel in der industriellen Produktion, haben wir Maschinen bereits die Option eingeräumt, bestimmte Entscheidungen auf Basis eigener Wahrnehmungen und Berechnungen treffen zu können. Inwieweit sind wir bereit, uns dem "Eigensinn" technologischer Geräte zu beugen? Müssten alle Menschen programmieren lernen, um ihre Umwelt weiterhin mitgestalten zu können?

 

5. Prothesen – Sollten wir in der Lage sein, unsere menschliche Soft- und Hardware neu zu gestalten, nach welchen Zielvorstellungen würden wir dabei vorgehen? Hat sich die Toleranz gegenüber angeblichen "Unzulänglichkeiten" bereits verändert? Nach welchen Maßstäben wird beurteilt, was als Handicap und deshalb als "verbesserungswürdig" zu sehen ist?

 

6. Maschine Maschine – Wenn Programme Programme schreiben und Maschinen Maschinen bauen, wenn nach Zufallsprinzipien Varianten erprobt werden und in einem immer komplexeren Zusammenspiel Systeme entstehen, die wir nur noch beobachten können, aber in ihren einzelnen Aspekten nicht mehr verstehen, ist dann eine zweite "Natur" entstanden? Bedeutet Gestaltung dann Selektion und Widerstand gegen unliebsame Entwicklungen? Welche Spielräume der Gestaltung nehmen wir weiterhin für uns in Anspruch?

 

Mensch Maschine

WS 2012 | Universität für Angewandte Kunst | Wien