»Der Ort, den eine Epoche im Geschichts-prozess einnimmt, ist aus der Analyse ihrer unscheinbaren Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen als aus den Urteilen der Epoche über sich selbst.« Siegfried Kracauer: Das Ornament der Masse

 

Man weiß nicht, wer man ist, bis man darum

kämpfen muss. Wir wissen was wir, aber nicht was andere denken. Indem Menschen sich zu einem bestimmten Anliegen an einem bestimmten Ort sammeln, wird sichtbar ob wir mit unseren Vorstellungen alleine sind oder ob viele andere Menschen ähnlich denken. Protest bedeutet ursprünglich »Zeugnis ablegen für etwas« und nicht »sich gegen herrschende Verhältnisse auflehnen«. Protest macht ein Identifikationsangebot an alle möglichen Unzufriedenen, Machtlosen, Unterprivile-gierten, Marginalisierten, Ausgegrenzten.  Etwas im Internet zu »liken«, oder für seine Ansichten auf die Straße zu gehen, hat derzeit noch ein unterschiedliches Gewicht.

 

»Durch die Geschichte der letzten 150 Jahre zieht sich ein konstanter Strom von Unmuts-bezeugungen, widerständigen Äußerungen und Praktiken im Hinblick auf die herrschenden politischen, sozialen und kulturellen Verhält-nisse. Oft gehen sie von Einzelpersonen und kleinen Ereignissen aus, wachsen, gehen um die Welt, werden vergemeinschaftet, verein-facht, auf Slogans reduziert, behalten aber eine Kraft und werden – in langer Perspektive betrachtet – gesamtgesellschaftlich wirksam.« Basil Rogger: Protest. Eine Zukunftspraxis

Ausdruck von Widerstand: Demonstration, Revolution, Umsturz

Unmutsbekundungen: Ironie, Subversion, Provokation

Eine politische Demonstration ist eine in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung mehrerer Personen zum Zwecke der Meinungs-äußerung. Damit sie wirksam werden kann, muss eine Gemeinschaft Zeichen setzen, die medial wirkungsvoll präsentiert und verbreitet werden können. Da Protest auf Wirksamkeit hofft, wird nach einprägsamen Zeichensetzun-gen gesucht. Dennoch bedienen sich die meisten Demonstrationen einer diesbezüglich konventionellen Zeichensprache. Der Versuch mittels Zeichen und Symbolen zu kommuni-zieren, die sich bereits ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben, führt allerdings nur vereinzelt zu Veränderungen in den Einstellungen der Menschen.

 

»Es könnte Zeiten geben, in denen wir nicht die Macht haben, Ungerechtigkeit zu verhindern, aber es darf niemals eine Zeit geben, in der wir aufhören, dagegen zu protestieren.« Elie Wiesel

Illustration nach Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk. Am 27. Juli 1830 erhob sich die Pariser Bevölkerung gegen die Vorherrschaft des Adels zu einem Aufstand, der als Juli-revolution in die Geschichte eingegangen ist. Das Bild verarbeitet die Barrikadenkämpfe in Paris am zweiten der drei Revolutionstage.Es war der blutigste Tag und die entscheidende Wende des Aufstandes.