„Wer hat den Ernst erfunden? Wenn wir anderen im öffentlichen Raum etwas ‚vorschreiben’ - da hört sich der Spaß auf! Haben wir Angst vor der anarchischen Wirkung von Witzen? Solange unsere Belustigungen der Wirtschaft Gewinne bescheren, ist Humor als Begleiterscheinung der Marktkommunikation mehr als nur geduldet. Das Geschäft mit dem Unernst kann sich somit sehen lassen.

 

Weniger Toleranz ist zu spüren, sobald sich vor allem einzelne Privatpersonen über den so vielfältigen Ernst des Lebens lustig machen. Ironie, Satire oder Parodie wurden historisch meist als potentielle Gefährdung der öffentlichen Ordnung gesehen. Sie musste deshalb unter Kontrolle gebracht werden. Inzwischen wurde erkannt, dass sich auch mit humoristischen Methoden unsere Gedankenwelt beherrschen, besetzen und strukturieren lässt.

 

Die offensichtlichste Technik der unernsten Kommunikation besteht darin, ein angeblich witziges Zeichen zu setzen. Die Wirkung bleibt jedoch oft bescheiden, denn offensichtliche Witze haben den Charakter der bewussten Nötigung, und kaum etwas ist uns heiliger als die Freiwilligkeit des Humors. Witze können einem im Hals stecken bleiben. Die Bemühung witzig zu sein ist mitunter lächerlicher als der Witz selbst.

Erfolgsversprechender, aber schwerer umzusetzen, ist die ansteckende Fröhlichkeit. Ist sie einmal ausgebrochen, wirkt sie epidemisch und wir können uns ihr nur schwer entziehen.

 

Weniger Mühe macht die Technik der Umdeutung. Schnell wird aus einem JA ein NEIN, aus einem OFFEN ein ZU, aus einem OBEN ein UNTEN. Wenn alles auch anders sein kann, brauchen wir es auch nicht allzu ernst zu nehmen. Kant meint: ‚Die Pointe ist der Punkt, an dem die Erwartung in nichts zusammen-fällt.’ Diese Methode wird so inflationär benutzt, dass wir inzwischen schon überrascht sind, wenn ein Zeichen sich als für uns bedeutungsvoll erweist.

 

Fast gleichzeitig mit Sigmund Freuds Analyse zum Witz entstand das ‚Manifest des Surrealismus’ vonAndré Breton. Darin spricht er von einem Denk-Diktat ohne jede Vernunft-Kontrolle und außerhalb aller ästhetischen oder ethischen Fragestellungen; weiters vom reinen, psychischen Automatismus, sowie von der Allgewalt des Traumes und des absichtsfreien Spiels der Gedanken. Nun fast ein Jahrhundert später, stellt sich die Frage, ob wir überhaupt noch anders denken, oder je anders gedacht haben als surrealistisch und wir stellen fest, dass die Techniken des Ungewöhnlichen, Bizarren, Phatastischen, Verrückten und Überraschenden die alltäglichen Kommunikationsformen durchziehen. ...”

Humor – die absolute Freiheit der Gedanken? Oder der Sinn des Unsinns.

TYPO Berlin 2003