Donald Trump – ein Zeichen der Zeit
Über Donald Trump und die amerikanische Politik wurde inzwischen viel geschrieben und publiziert. Ich möchte an dieser Stelle untersuchen, inwieweit Donald Trump als repräsentatives Zeichen der Zeit gelesen werden kann.
Abbildungen: Jesus auf einem Grabstein in Dornbirn / Sesterze von Kaiser Nero / Medaille von dem Sonnenkönig Ludwig XIV / Ausschnitt Wahlplakat Barack Obama / Twitter Account Profilbild von Donald Trump / Plakette von Mao Zedong / Silbergußmedaille von Kaiser Karl V. / Mussolini Abzeichen / Plakatausschnitt – Nordkoreanischer Führer Kim Sung
Montage von Markus Hanzer unter Verwendung einer Illustration aus der göttlichen Komödie von Dante Alighieri von Gustave Dore, 1885
Ein Zeichen ist im weitesten Sinne etwas, das auf etwas anderes hindeutet, etwas bezeichnet, das über sich selbst hinausweist. Ein Zeichen gewinnt dadurch auch eine gewisse Unabhängigkeit von seinem »Ausgangspunkt«, es kann auf unterschiedlichste Wertigkeiten und Bedeutungen verweisen. Ich möchte mich daher nicht mit der Persönlichkeitsstruktur oder den politischen Auswirkungen seines Handelns auseinandersetzen, sondern fragen, welche Rolle Donald Trump als international erfolgreiches Zeichen spielt. Unabhängig vom Wahlausgang im November 2020 wird Trump als Zeichen, als »Marke«, weiterbestehen. Seine Zeichenhaftigkeit reicht weit über sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten hinaus. Donald Trump hat es verstanden, sich in eine »Marke« zu verwandeln. Alles was über ihn berichtet wird, zahlt dabei in seinen »Markenwert« ein. Indem er die Geschichten, die über ihn erzählt werden, mit anderen bereits etablierten Erzähl-mustern in Verbindung bringt, wird jede seiner Handlungen zu einem Symbol, dem schon deshalb Aufmerksam geschenkt wird, weil sich vermeintlich dadurch etwas Wesentliches zeigt. Er akzeptiert scheinbar bereitwillig jede Zuweisung und Verallgemeinerung, egal ob er als Retter oder Zerstörer, als Held oder Schurke, als Gewinner oder Verlierer, als Entertainer oder Störenfried hingestellt wird. Wichtig ist nur, dass all diese Zuweisungen zugleich übertriebenen Charakter aufweisen. Donald Trump steht für das Ultimative, Einmalige, Unerreichte schlechthin. Niemand kann ihn dabei vom »hohen Ross« stoßen, weil er den Anspruch auf »Wahrhaftigkeit« nicht stellt. — »Ich bin das Bild, das Ihr Euch von mir macht.«
Ideen ein »Gesicht« zu geben, Weltbilder zu »verkörpern«, hat eine lange Tradition. Dies wird möglich, indem Menschen sich freiwillig oder gezwungener Maßen einer Führung anvertrauen – oder einem solchen Führungsanspruch den Krieg erklären. Diesen Personen wird dabei vertraut, dass sie auf alle entscheidenden Fragen, die »richtige« Antwort kennen, oder misstraut, weil sie angeblich in allem, was sie von sich geben, falsch liegen. Nachdem sie über alles notwendige Wissen und Können verfügen, um eigenmächtig zu agieren, ist es ausreichend, auf eine Ausdrucks-form für den entsprechenden Charakter zu fokussieren. Auf eine Ausformulierung von Zielen, Absichten, Werthaltungen etc. kann dabei weitestgehend verzichtet werden. Diese Charakterbilder werden zu Projektionsflächen unterschiedlichster Erwartungshaltungen und gewinnen dadurch Zeichencharakter. Es ist gerade die relative Offenheit, die es möglich macht, diesen Zeichen widersprüchliche Assoziationen zuzuordnen. Was für manche zu einem Idealbild wird, erscheint anderen Menschen als Abbild des Negativen und Abzulehnenden.
Innerhalb kommunikativer Aktivitäten vereinfacht der Verweis auf ikonische Zeichen die Definition von Themenfeldern oder Positionen. Dadurch häuft sich der Einsatz des Zeichens überproportional gegenüber »schwächeren« Zeichen-setzungen. Der Reiz einer kommunikativen Bemühung und die optionale Aufmerksamkeit lässt sich durch einen plakativen Einsatz des Zeichens Trump verlässlich steigern. Er verhilft somit allen, unabhängig von deren Haltung, zu einer Chance, ebenfalls wahrgenommen zu werden. In Kombination mit weiteren Aussagen (»Make America great again«) Attributen (z.B.: Luxusobjekte) oder Kontextualisierungen (Macht, Erfolg, Untergang, Ignoranz, Betrug …) können eindringliche Verweise und Verdichtungen entstehen.
Donald Trump hat, anders als viele andere politische Führungspersönlichkeiten der Geschichte bislang auf eine »stilisierte« Selbstdarstellung verzichtet. Er gewinnt dadurch einen scheinbar »authentischen« Charakter, als würde zwischen persönlichen Absichten und Zielen und Auftreten keine Differenz bestehen. »Wie kann uns jemand betrügen, der sich so direkt, offen und ehrlich zeigt?« Damit wird alles, was andere ihm als Schwäche oder Unfähigkeit zuschreiben, zugleich zu einer besonderen Qualität, die die Wirkung des ikonischen Bildes nicht schwächt, sondern stärkt. Die polarisierende Wirkung erschwert eine ausgewogene Auseinandersetzung mit den gesetzten Positionen und führt dazu, dass die Zustimmung oder Ablehnung »totalitären« Charakter annimmt. Auf diese Weise werden die Sympathisant*innen von Donald Trump verführt, mehr oder weniger bedingungslos zu Donald Trump zu stehen. Das Zeichen Donald Trump ist so stark, dass es eine differenzierte Auseinandersetzung mit seinen wahrnehmbaren Handlungen erschwert.
Donald Trump nutzt die Medien in beispielsloser Perfektion für den Zweck der Stilisierung und Ikonisierung seiner Person. Er hatte in seinem Leben ausreichend Gelegenheit, sich in Medienauftritten zu üben und dabei eine eigene charakteris-tische und unverwechselbare Form zu entwickeln. Früh hat er erkannt, dass sich die Medien umso intensiver um ihn bemühen, als er als ungewöhnlich und grenzüberschreitend erscheint. Auch auf rein zeichenhafter Ebene hat er seine Form gefunden, in Haartracht, Bekleidung, Mimik, Gesten, Körpersprache, die so charakteristisch erscheinen, dass sie leicht nachgeahmt, verdichtet und angedeutet werden können. Dadurch verwandelt er sich nahezu in eine der in der Medienwelt so beliebten Fantasiegestalten, in ein Maskottchen, eine Comicfigur etc. Es ist ihm gelungen, die Position eines der »vertrautesten« Charaktere weltweit einzunehmen, an dem niemand vorbeikommt und der sich unentwegt in unser Blickfeld drängt. So wird das Zeichen Donald Trump gewissermaßen unvergleichlich. Er spielt in einer anderen Liga, verweist auf keinen »gewöhnlichen« Menschen, sondern symbolisiert den Traum oder Alptraum, der uns umtreibt. Mit ihm kann man sich nicht messen, da er sich, wann es immer ihm beliebt, in seine Position des ohnehin Unglaublichen, Unbeschreiblichen und Unfassbaren flüchten kann. Donald Trump kann daher Äußerungen machen, die sonst niemandem so leicht möglich wären: »I am not politically correct. Because to be politically correct takes to much time. It takes to much effort. We have to get things done in this country. And you never get it done, when we just stay politically correct.« (Donald J Trump for President über Political Correctness 2016) Von Donald Trump wird daher gar nicht erwartet, dass er sich an irgendwelche Konventionen oder Regeln hält. Dadurch ist es ihm möglich, vorbehaltlos Positionen zu symbolisieren, die inzwischen im konventionellen und alltäglichen Diskurs gar nicht mehr so einfach eingenommen werden könnten. Das macht ihn jedoch zu einem Hoffnungsträger für jene, die sich einreden, in ihren Einstellungen, Sehnsüchten und Wünschen an den gesellschaftlichen Rand gedrängt worden zu sein. Er erscheint für eine bestimmte Gruppe von Personen daher als Befreier von Zwängen und Einschränkungen, als neuer Messias.
Ein Zeichen kann nicht einfach mit Argumenten zum Verschwinden gebracht werden. Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, so haben starke Zeichen oft eine Lebensdauer, die weit über die ursprünglich beabsichtigten Wirkungs-zusammenhänge hinausreichen. Solange Gemeinschaften sich in ihren Bezügen primär auf Zeichen beziehen, werden diese in ihrer Wirkungsmacht weiter bestehen.