Wozu brauchen wir analoge und digitale Bücher? Bücher werden in erster Linie als Aufzeichnungs-, Speicher- und Verbreitungsmedium für Bilder und Texte betrachtet. Darüber hinaus sind Bücher Objekte, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise nutzen lassen. Sie haben unter Umstände ein langes Leben, verbrauchen keine Energie, außer jener, die notwendig ist, um sie auch im Dunklen zu betrachten. Wir können in Büchern vielfältige Spuren hinterlassen und deshalb meist auch erkennen, wie intensiv sie bereits genutzt wurden. Die Patina entwertet sie nicht zwingend, sondern kann auch dazu beitragen, dass sie als historische Dokumente eine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Wir brauchen Bücher nicht zu lesen, wir können sie verbrennen, wir können sie irgendwo unterklemmen, wir können sie für rein repräsentative Zwecke nutzen, und vieles mehr. Bücher gehen oft durch viele Hände und lassen sich eventuell auch immer wieder, selbst in gebrauchtem Zustand verkaufen. Bücher sprechen auch unseren Geruchs- und Tastsinn an. In ihrem Inneren entfaltet sich ein Buchraum, eine mitunter raffiniert genutzte ‚Architektur’, die in der Lage ist, Texte und Bilder in besonderer Weise zu strukturieren und erfahrbar zu machen. Bücher haben ein Gewicht. Dieses Gewicht überträgt sich unter Umständen auch auf seinen Inhalt. Wer viele Bücher zu transportieren hat, kann dieses Gewicht auch als Last empfinden. Digitale Bücher unterscheiden sich in vielen Punkten nicht von den analogen Vorbildern. Dennoch zeigen sich auch eine Reihe von bedeutsamen Unterschieden, die den Verdacht nahelegen, dass das Eine so schnell nicht vom Anderen ersetzt werden kann. Gebrauchsspuren lassen sich auch in elektronischen Dokumenten implementieren, ins Regal stellen können wir sie nicht. Auch wenn die elektronischen Dokumente vorgeben Seiten zu haben die sich blättern lassen, so besitzen sie keinen sinnlich erfahrbaren, ertastbaren Körper. Sie ‚wiegen’ nicht leichter, oder schwerer, je nach Anzahl der Seiten. Das Format ist derzeit noch durch das gewählte Lesegerät bestimmt und besitzt deshalb nicht die Variationsbreite analoger Bücher. Elektronische Dokumente lassen sich mit Suchmaschinen durchforsten. Dafür haben wir nicht die geringste Ahnung, wie lange uns diese Dokumente zur Verfügung stehen werden, bzw. wann die gegenwärtigen Lesegeräte ihren Geist aufgeben und die Datenformate so weit überholt erscheinen, dass neuere Technologien auf deren Entzifferung verzichten. Wer unterwegs seiner Bibliothek nicht entsagen kann, dem stehen eventuell goldene Zeiten bevor, sollte einmal wirklich ‚alles’ auch in digital lesbarer Form vorrätig sein. Für jene Aura, die Bücher in alten Bibliotheken verbreiten, weil wir eine Ahnung davon haben, dass vielleicht bekannte historische Persönlichkeiten diese Gegenstände bereits genutzt haben, gibt es in der digitalen Welt derzeit noch keinen passenden Ersatz, was jedoch den Siegeszug von eBooks kaum stoppen kann.