Da habe ich aber geschaut! Über die Macht der Bilder
SS 2009 & 2010 | WS 2013/14 & SS 2014 | Universität für Angewandte Kunst | Wien
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Die erste Gruppe beschäftigt sich mit Kommunikationssystemen die auf Freund- und Feindbildern aufbauen. Jedes dieser Systeme kennt ein Zentrum, ein zu besetzendes Feld und an dessen Ende eine zu verteidigende Grenze:
Das Römische Reich
Expansion und Integration. Ein Weltreich markieren, globale Herrschaftsansprüche festigen.
Die römisch-katholische Kirche
Das Unsichtbare sichtbar machen, variantenreiche Allgegenwart: Die Kirche hat eine virtuelle Welt geschaffen, die fast alle Bereiche des Lebens überlagert und strukturiert, mit Bedeutungen versieht, mit moralischen Vorstellungen anreichert, dem Alltag einen festlichen Glanz gegenüberstellt und uns in eindrucksvoller Form das Fürchten gelehrt hat. Die aktuellen Bildwelten der Medien sind ohne dieses Fundament kaum denkbar. Auch wenn diese Anschauungsbeispiele den Zweifel vieler Menschen nicht zu zerstreuen vermochten, so werden diese visuellen Vorbilder immer gerne dann geplündert wenn es darum geht Eindruck zu machen und Bedeutung zu suggerieren.
Der französische Absolutismus unter Ludwig dem XIV
Politik als Bühne: „Den Staat beherrsche ich alleine.” Macht als ästhetische Konstruktion: das Bild ist der König. Wie ist es Ludwig XIV. gelungen den Glanz der Kirche zu überstrahlen um seinen uneingeschränkten Machtanspruch zu demonstrieren? Auf welche Traditionen konnte er dabei aufbauen? Was hat den Adel bewegt, ihn in diesem Treiben zu unterstützen? Warum ist dieses Konzept am Ende gescheitert und welche der damals entwickelten Inszenierungsformen haben, bis in die politische Gegenwart hinein, überlebt?
Nationalsozialistische Propaganda
Der totalitäre Herrschaftsanspruch. Eine Welt unterwirft sich einem charismatischen Führer und nimmt dafür das Hakenkreuz auf sich. Wie ist es gelungen, so viele Menschen in den Untergang zu führen? Die Ausgangslage: Massenelend, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Hitler brachte, mit aller Gewalt, wieder eine scheinbare Ordnung in die Wirren der Zeit. Dazu meinte er in seinem Buch „Mein Kampf”: „Das Volk ist in seiner überwiegenden Mehrheit so feminin veranlagt und eingestellt, daß weniger nüchterne Überlegung, vielmehr gefühlsmäßige Empfindung sein Denken und Handeln
bestimmt. Diese Empfindung ist aber nicht kompliziert, sondern sehr einfach und geschlossen. Es gibt hier nicht viel Differenzierungen, sondern ein Positiv oder ein Negativ, Liebe oder Haß, Recht oder
Unrecht, Wahrheit oder Lüge, niemals aber halb so und halb so oder teilweise usw.“
Die Russische Revolution
„Macht erbringt die Übertragungsleistung dadurch, dass sie die Selektion von Handlungen oder Unterlassungen angesichts anderer Möglichkeiten zu beeinflussen vermag. Sie ist größere Macht, wenn sie sich auch gegenüber attraktiven Alternativen des Handelns oder Unterlassens durchzusetzen vermag.“ Nicklas Luhmann
Macht über fremdes Verhalten ist dann gegeben, wenn bestimmte Handlungen, bei Wegfallen jener Versuche diese zu beeinflussen, anders abliefe.
Kulturrevolution in China
Der lange Marsch. Massenkult und Mao als Mona Lisa der Weltrevolution.
„Der Ort, den eine Epoche im Geschichtsprozess einnimmt, ist aus der Analyse ihrer unscheinbaren Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen als aus den Urteilen der Epoche über sich selbst.“
Siegfried Kracauer, Das Ornament der Masse
„Selbst Ausbeutung und Unterdrückung bringen die Gesellschaft noch dazu, zu funktionieren, und stellen eine Art Ordnung her.“ Hannah Arendt
Demokratische Volksrepublik Korea
Die willkommene Diktatur? Wenn eine Verteidigungsstrategie einem zum Gefängnis wird.
„Dem Erinnerungsmonopol des Staates gelang es, die erschütternden individuellen Kriegserfahrungen kollektiv zu binden und sie in der siegreichen Vaterfigur Kim Il Sungs zu bündeln Nordkorea ist im Krieg geboren, und es hat den Anschein, als fürchte es, seine Existenz zu verlieren, sollte es sich einmal nicht mehr von Feinden umringt sehen.“ Christoph Moeskes
In der zweiten Gruppe sind Strategien zu finden, die den Wettkampf der Märkte nutzen um die eigene Position zu stärken und zu verteidigen:
Coca-Cola
Vertrauensbildung und Welteroberung mit System. Coca-Cola ist ein Konzern, dem es gelungen ist, ein Getränk zu einer Marke zu machen, die sich weltweiter Bekanntheit und oft auch Beleibtheit erfreut und damit das Bild der Vereinigten Staaten als Weltmodell in entscheidender Weise prägt.
Das Disney Universum
Vom Märchenerzähler zu Weltkonzern. Disney ist es gelungen große Teile des kulturellen Erbes der Menschheit als Rohstoff für die Produktion einer Bildwelt zu nutzen, die vielen heute als Fundament ihres Weltverständnisses dient.
Apple, PIXAR – das ‚Reich’ von Steve Jobs
Believe It Or Not! Apple ist es mit seinen Produkten und Angeboten gelungen die Lebensgewohnheiten nicht nur jener Menschen merklich zu verändern, die sich mit dieser Marke angefreundet haben.
Nike
Just do it. Wenn Persönlichkeit und Identität zur Ware wird. Nike istes gelungen Sportlichkeit als gesellschaftliche Primärtugend zu etablieren. Mit der Aufforderung – „Just do it.“ – wird die Verantwortung für sein Leben dem Einzelnen zugespielt. Nike schafft damit eine Bühne, auf der jeder, der bereit ist sich zu exponieren, beweisen darf, aber auch muss, was in ihm steckt. Um diesem Leistungsdruck besser gewachsen zu sein, stellt Nike Utensilien zur Verfügung, die von sportlicher Hochleistung erzählen.
In den Strategien der dritten Gruppe spielt die Eigeninitiative vieler eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von mächtigen Feldern konzentrierter Aufmerksamkeit:
Venedig
Die Republik des Kommerzes, des Handels, des Karnevals, der Religion. Wie entsteht die Identität einer Region? Wer hatte in welcher Form zu jenem Bild beigetragen, dass sich die Welt von Venedig macht? Worin besteht dessen Faszination? Was unterscheidet die Lagunenstadt von vielen anderen Städten am Meer? Worin besteht die Macht der Bilder, die wir uns von Venedig machen?
Die Marke Tirol
Von der Volkskultur zur Wirtschaftsmarke. Über die Entstehung und Bedeutung regionaler Identitäten und deren sichtbaren Ausprägungen. Es geht um die Wechselwirkung zwischen den für eine Region spezifischen Wirtschaftsformen, der damit in Verbindung stehenden Kultur, den daraus erwachsenden Traditionen und Ritualen. Wem kommt dabei welche Gestaltungsmacht zu? Wie lassen sich einmal verfestigte Engramme wieder verändern?
Weltausstellungen
Wettkampf der Ideen und Fenster zur Zukunft; Gesten der Versöhnung zwischen Politik und Industrie. Über die Bedeutung der Weltausstellungen für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Walter Benjamin meinte dazu: „Weltausstellungen sind Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware. Die Weltausstellungen verklären den Tauschwert der Waren. Sie schaffen einen Rahmen, in dem ihr Gebrauchswert zurücktritt. Sie eröffnen eine Phantasmagorie, in die der Mensch eintritt, um sich zerstreuen zu lassen. Die Vergnügungsindustrie erleichtert ihm das, indem sie ihn auf die Höhe der Ware hebt. Er überlässt sich ihren Manipulationen, indem er seine Entfremdung von sich und den anderen genießt.“
Olympic Games
Brot und Spiele. Wandel und Beständigkeit im Zeichen der olympischen Ringe.
„Im Leben passieren manch unangenehme Dinge. Gibt es bei einer Olympiade nicht ebenso Schlimmes? Schmachtet man da nicht in glühender Hitze? Wird man nicht von der Menge zerquetscht? Macht es nicht große Mühe, sich zu erfrischen? Wird man im Regen nicht nass bis auf die Haut? Fühlt man sich nicht durch den Lärm, das Getöse und andere Unannehmlichkeiten belästigt? Doch wie mir scheint, kann man dies alles gut und tatsächlich frohgemut aushalten, wenn man an die packenden Schauspiele denkt, die man zu sehen bekommt.” Epiket, um 50-120
Der Wahlkampf von Barack Obama
»Yes We Can!« Mit partizipativen Methoden zum Führungsanspruch. „Die Funktion eines Staatsmanns besteht darin, aus dem Willen eines Volkes alles herauszuholen.“ George Bernard Shaw
„Ein Politiker hat natürlich seinen Finger am Puls der Gesellschaft und versucht, die kleinsten Regungen und Rhythmusveränderungen im politischen Universum wahrzunehmen. Oft weiß er allerdings nicht, wie er diese Regungen einschätzen soll – sind sie oberflächlich oder substanziell? Um das herauszufinden, schickt er einen Versuchsballon los. Je nach Reaktion der Öffentlichkeit macht er sich die vorher formulierte Politik dann offen zu eigen, lässt sie fallen oder modifiziert sie in Einklang mit den Tendenzen, wie sie ihn als Rückmeldung erreicht haben.“ Edward Bernays
Facebook, Google & Co.
Wer regiert in der vernetzten Welt? Hat sich die Hoffnung erfüllt, dass im Internet alles etwas zu sagen haben? Wie Byung-Chul Han sagt: „Souverän ist, wer über die Shitstorms des Netztes verfügt." Und das sind offensichtlich nicht jene, die bereits außerhalb digitaler Netzwerke nichts mehr zu sagen haben.
Was machen Bilder mit uns? Was wollen wir mit Hilfe von Bildern bewirken? Wie können wir uns vor Bild-wirkungen schützen?
„Menschen haben gelernt Zeichen zu setzen die ihnen als ‚Vorbilder’ dienen. Wie gehen wir mit diesen Zeichen um? Wer setzt wann, wo, welche Zeichen mit welchem Ziel? Wie gelingt es, dass viele in vergleich-barer Weise auf diese Zeichen reagieren? Worin liegt die ‚Wirkungsmacht’ von Zeichen begründet?
Wir werden tagtäglich mit Kommunikationsmaß-nahmen konfrontiert, auf die wir in vielen Fällen auch in der einen oder anderen Form reagieren müssen. Da es uns nicht immer möglich ist die Komplexität der Zusammenhänge zu durchblicken und zu verstehen, wir also oft als ‚Unwissende’ handeln und Entscheidungen treffen müssen, ist es hilfreich jene Mechanismen zu untersuchen, die Menschen im Laufe der Geschichte in der Absicht entwickelt haben um andere in ihrem Sinne zu ‚informieren’ oder zu lenken.