Der Körper als Schauplatz | Untersuchungen zur Funktion mediatisierter Menschenbilder
Universität für angewandte Kunst Wien
Sommersemester 2015
In meiner Jugend haben wir versucht, gegen jede Form der körperlichen Disziplinierung Widerstand
zu leisten. Heute unterwerfen sich immer mehr Menschen freiwillig allen postulierten Idealen,
um ihren Körper in ein Symbol sexueller Attraktivität zu verwandeln. Das Begehren wird zu einer
Währung und die Gesellschaft verwandelt sich von einem Geflecht sozialer Beziehungen zu einem
Marktplatz. Facebook lebt davon, dass zwischen die Selbstinszenierungen der Menschen soviel
Werbung als möglich gepresst wird. Für die „nackte“ Wahrheit ist hier offenbar kein Platz.
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Ambivalenzen | Zwischen Sexualisierung und Prüderie
Wolfgang Pauser: „Gerade wurde ein von mir geteiltes Foto eines der berühmtesten Mode-Künstler der Welt, Hussein Chalayan, von Facebook zensuriert. Wegen teilweiser Nacktheit. Zur Strafe wurde auch mein Account gleich mal gesperrt, ich musste mich mit Passwort neu anmelden und dann eine Erklärung abgeben, dass auf keinem von mir geposteten Foto irgend was Nacktes zu sehen ist. Warum überträgt ein amerikanisches Unternehmen seine Prüderie auf Netzwerke zwischen europäisch sozialisierten Menschen? Ärgerlich, vor allem diese Gleichsinnigkeit muslimischer und amerikanischer Werthaltungen, denen sich in Europa nun auch noch Grüne und FeministInnen anschließen, wie etwa mit dem Werbeverbot in Kreuzberg...
Positiv betrachtet könnte die globale Einigkeit aller religiös und ideologisch Hysterisierten in der gemeinsamen Nacktheits- und Sexualphobie auch eine Chance für den Weltfrieden sein…"
Historische Positionen | Geschichte der erotischen Kunst
Abbildung: The Sleep of Venus and Cupid, Marie Francois Constance Mayer-Lamartiniere, 1806
Erotische Darstellungen sind in allen Epochen der Kunstgeschichte reichlich zu finden. Jene Themen, die als Vorwand oder Anlass genommen wurden um den menschlichen und dabei vorwiegend den weiblichen Körper in Szene zu setzen, haben sich jedoch mit der Zeit immer wieder gewandelt. Die drei Bände von Eduard Fuchs zur Geschichte der erotischen Kunst aus den Jahren 1912 bis 1927 bieten eine gute Grundlage und Sammlung, um die Entwicklungen und Zusammenhänge in diesen Bereichen der Kunst noch einmal aus heutiger Sicht zu diskutieren.
Kulturelle Normen | Der disziplinierte Körper
Abbildung: Living Dolls Serie des Fotografen Hayden Wood, 2011, www.haydenwoodphotography.com
Karl Marx: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken und selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorhandenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“
Der Körper als sexuelles und soziales Kapital
Abbildung: Jean-Léon Gérôme, Phryne vor dem Areopag, 1861
Einer Legende nach soll Phryne (eine damals sozial anerkannte Prostituierte), als die Gerichts-verhandlung zum Punkt der Verurteilung kam, ihre Kleidung zerrissen und sich mit ihren nackten Brüsten vor den Richtern zu Boden geworfen haben. So konnte sie einen Freispruch erwirken, da ihre Schönheit überzeugender war als die Rede ihres Verteidigers.
Dekadenz | Die Rolle des Körpers in der Erlebnisgesellschaft
Abbildung: Modeschau, Kanye West, Adidas Originals, 2015
Gerhard Schulze: „Das Leben schlechthin ist zum Erlebnisprojekt geworden. Sobald man sich nicht mehr um sein Überleben zu kümmern braucht, beginnt man, sich mit sich selbst zu beschäftigen und Raum für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu beanspruchen. Wurden früher Subjekt und Situation überwiegend durch Vorgaben und soziale Kontrolle zusammengezwungen, so ist in der Gegenwart mehr Selbstbestimmung im Spiel." Diese Selbstbestimmung ist eine Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Das, was wir dabei von uns zeigen, spielt zunehmend eine entscheidende Rolle bei der Zuschreibung von Rollen und somit Chancen im gesellschaftlichen Leben. Der Raster, nach dem diese Beurteilungen erfolgen, wird weitestgehend von großen Marken vorgegeben.
Der sportliche Körper | Körperkleider nach Maß
Abbildung: Allyson Felix fotografiert von Annie Leibovitz für NIKE, 2011
Medien spielen bei der Entstehung und Bewertung von Körperbildern eine nicht unwesentliche Rolle.
Erstrebenswert ist es demnach schlank, muskulös, jugendlich und sportlich zu wirken. Wem eine intensive Körperarbeit zu anstrengend erscheint um eine gute Figur zu machen, der kann entweder versuchen einem der vielen Ernährungstips zu folgen oder sich mit Hilfe von chirurgischen Eingriffen einen Körper nach Maß schneidern lassen.
Der mechanische und der digitale Körper
Abbildung: Die Tänzerinnen des „Crazy Horse" in Paris präsentieren die neue Strumpfkollektion von Palmers. Kampagne, Foto von Bruno Dayan, 2006: „Die Motive der neuen Werbe-Kampagne sollen sexy und modern, jedoch nicht zu gewagt sein. Anspruch von Palmers ist eine glamouröse, jedoch nicht zu elitär wirkende Umsetzung. Als Zielgruppe gelten nicht nur weibliche Kundinnen, sondern auch männliche Beobachter.
Die Körperbilder, mit denen wir heute in vielen Medien konfrontiert werden, verdanken sich einer immer umfassenderen digitalen Aufbereitung. Die Körpermaße werden idealisiert, die Haut geglättet und „gereinigt”.
Der vergängliche und verletzliche Körper
Abbildung: Berlinde de Bruyckere, Romeu, 2010
Hannelore Bublitz: „Der Geschlechtskörper erscheint als geschlechtlich kodiert und sexualisierter Körper, der nur solange sexuell attraktiv erscheint, als er Jugendlichkeit ausstrahlt, insofern also einem Verfallsdatum unterliegt. Besonders Frauen werden über sexuelle Attraktivität und körperliche Schönheit definiert.“