Besteht eine Beziehung zwischen visueller und akustischer Kultur?
Zur ‚Volksmusik’ gehörte immer auch eine entsprechende Bekleidung oder Tracht. Musik war somit auch ein visuelles Ereignis. Musik war lange mit bestimmten Lebenssituationen verknüpft und von diesen nicht zu trennen. Musik begleitete gesellschaftliche Ereignisse und gab gewissermaßen den Takt vor, nachdem sich die Anwesenden orientierten. Musik hatte eine magische Wirkung. Mit dem Siegeszug der industriellen Entwicklung kam eine andere, dröhnende, hämmernde Musik und eine andere Ästhetik. Die Welt geriet sukzessive aus dem Gleichtakt und Gleichschritt.
Standesunterschiede werden sichtbar und hörbar mittels jener Kultur, der wir uns bedienen, der wir uns zugehörig empfinden. Musik ist nicht mehr nur einfach Musik, sondern sie wurde zur guten oder schlechten Musik. Gute Musik muss, solange sie den Regeln entspricht, keinen Spaß machen, uns auch nicht direkt emotional ansprechen. Gute Musik fordert Disziplin und Verstand und belohnte uns mit Prestige und Macht.
Musikgeschichte und Mediengeschichte stehen in einem engen Zusammenhang. Musikalische Speicher- und Übertragungsmedien machen den Musikgenuss unabhängig von der Anwesenheit von Musikanten und dadurch unabhängig von Raum und Zeit. Jeder kann sich nun seine eigene Rezeptionssituation schaffen und sich eine individuelle Rezeptionsstrategie zurecht legen. Musik ist oft der Faden, der uns in den Netzwerken der Städte miteinander verbindet.
Ein Reichtum an Zeichensprachen hat sich gebildet damit wir uns von den unterschiedlichen musikalischen Ausprägungen auch ein Bild machen können.
Der Mensch erscheint uns heute als digitalisiert, vernetzt, verkleidet, mechanisiert oder elektrisiert. Wenn das Produkt Musik die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt, dann verweist das Musikangebot heute auf eine offene, pluralistische, wenn auch marktwirtschaftlich orientierte Gesellschaft. Der vielfältigen Kultur der Anderen begegnen wir mit unserer eigenen Mischkultur. Grenzen lösen sich auf und verschmelzen zu komplexen Einheiten. Akustische und visuelle Muster dienen nach wie vor der eigenen Identitätsfindung, der Selbstdarstellung und somit der sozialen Interaktion.
Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen aller Bemühungen jener Märkte, die sich mit der Produktion und Distribution akustischer und visueller Signale beschäftigen, sind unsere Optionen auf ein selbstbestimmtes, freies Leben gewachsen, auch wenn diese Freiheiten nur von wenigen ausgeschöpft werden. ...
The Rhythm of Life | | Der Rhythmus des Lebens
TYPO Berlin 2007 | Musik