„Wie theatralisch kann, darf bzw. sollte das Nachrichten- und Informationsdesign für die audiovisuellen Medien sein? Was ist gemeint, wenn von Theatralik gesprochen wird? Sprechen wir von formaler Übertreibung, wie wir sie von Zirkus und Theater gewohnt sind? Noch ist in Deutschland und Österreich die propagandistische und verführerische Wirkung theatralischer Gesten nicht gänzlich in Vergessenheit geraten. Es gab somit einen guten Grund für eine zurückhaltende und sachliche Sprache, wenn es darum geht glaubwürdig zu erscheinen. Die Amerikaner hingegen leben inmitten einer Kultur der theatralisch auf die Spitze getriebenen Inszenierungen.
Mit welchen Tricks lassen sich demnach Szenen dramatisieren, oder emotionalisieren? Wie kommen wir an ein Publikum heran, dass sich bislang für Nachrichten- und Informationssendungen nur mäßig interessiert?
Das lateinische Alphabet kennt unendlich viele Ausformungen. Wir haben gelernt nicht nur Texte zu lesen, sondern auch die Formensprache von Buchstaben zu deuten und zuzuordnen.
In den letzten Jahrzehnten sind eine ganze Reihe von ausgebauten Schriftfamilien entstanden, die es ermöglichen in typografisch ausgefeilter Form den besonderen Anforderungen einer sachlichen Fernsehtypografie zu entsprechen.
Die Fähigkeiten des Publikums die charakteristische Form einer Schrift wieder zu erkennen und zuzuordnen sollte jedoch nicht überschätzt werden. Das Schriftbild in seiner Gesamtheit - Raster, Größe, Umfang, Animation, etc. - ist durchaus in der Lage Marke zu machen.
Wo bleiben also die typografischen Spielräume? Sie erweitern und verringern sich, je nach der Bereitschaft auch in inhaltlichen Fragen neue Wege zu gehen. Es ist ein wenig wie bei einem Geiger. Sollte er sich nur für Tonleitern interessieren, werden wir ihm nicht lange zuhören wollen. Wir sind also froh, wenn er sich für Inhalte, also auch für Melodien. Wer jedoch nur Notenlesen kann und der Geige schmerzhafte Töne entlockt, wird uns auch keine große Freude machen.
Fernsehen hat sich lange als Leitmedium verstanden. Wer Leitung übernimmt ist nicht Opfer, sondern Täter. Wer in einer Mediengesellschaft die Medienlandschaft dominiert, der spiegelt somit nicht einfach nur gesellschaftliche Realitäten, sondern trägt entscheidend zu dessen Konstituierung bei.
Es ist vielleicht an der Zeit die Rollen- und Aufgabenverteilungen neu zu überdenken. ...”
Typografische Spielräume | News Design
Eyes & Ears of Europe | ORF | Wien | 2010