Bildtheorie
Unterricht an NDU New Design University St. Pölten
Wir beschäftigen uns mit folgenden Themenfeldern:
Über die Rolle von Bildern in unserem Verhältnis zur Welt
Fenster zur Welt – »Windows«
Unterschied von Bild und Wirklichkeit
Rahmung & Fokussierung • Der eingeengte Blick •
Sinneinheiten
Bildkomposition • Relationen & Proportionen
Mathematik als Mutter der Kunst
Der Zweck von Bildern – Typologie der Bilder
Was will das Bild? Sich ein Bild machen
Eine Anschauung haben
Bild als Symbol – Zeichen
Anthropologischer Ansatz
Semiotischer / zeichentheoretischer Ansatz
Wahrnehmungstheoretischer Ansatz
Psychologischer Ansatz
Das Bild als Modell –Visualisieren
Die Erforschung der sichtbaren Welt
Die Kunst der Anschaulichkeit
Repräsentation –Verweise auf Abwesendes
Image is everything – Was ins Auge sticht
Das Hineinsehen
Präsentifikation • Epiphanie • Sehen ist glauben
Das Bild als Gefäß göttlicher Einwohnung
Die Faszination von Bildern
Wirkungskraft • Simulacrum
Fetische • Idole • Totems
Illusionismus • Bild und Nachahmung
Das Spiel mit der Wahrnehmung
Abbilden • Trompe-l'œil • Ähnlichkeitstheorie
Die Fähigkeit des Bildes zur Fiktion
Schein- und Trugbilder
Bilder des Unsichtbaren • Anschaulich machen
Halluzinationen • Mentale Bilder • Traumbilder
Die technischen Aspekte der Bildproduktion
Kunstfertigkeit – Punkt • Linie • Fläche
Die komplexen Verbindungen virtueller, materieller und symbolischer Elemente
Technobilder • Bildgebende Verfahren
Digitalisierung • Konstruktion & Synthese
Kunstbilder • Ikonografie
Besondere Stimmen im Konzert der Weltdinge
»Das war aber ein teures Bild«
Bilder als Artefakte
Das Universum der verwendeten Dinge
Vom Handwerker zum Virtuosen
Erzählende Bilder
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Abstrakte Bilder • Ornament
Bildrezeption • Bildpraxis • Intentionen
Bildwirkung • Bilderversteher
Bilder müssen gedacht werden,
wenn man sie sehen will.
Nachbilden • reproduzieren
imitieren • nachahmen
zitieren • parodieren • kommentieren
Kopie, Aneignung • Original & Fälschung
Porträt und Selbstporträt • Selbstdarstellung
Visualisierte Körperkonzepte
Bilder der Überwachung
Bildverbote, Bildersturm, Zensur
Was wir sehen, blickt uns an, geht uns an,
betrifft uns, berührt uns.
Anstößige Bilder • Hassbilder • Der Krieg der Zeichen
Literaturtips:
Gerhard Paul: Das visuelle Zeitalter. Punkt und Pixel. 2016
Gerhard Paul: BilderMACHT. Studien zur Visual History des 20. und 21 Jahrhunderts. 2013
Gustav Frank; Barbara Lange: Einführung in die Bildwissenschaft. Bilder in der visuellen Kultur. 2010
Ruben Pater: Caps Lock. How Capitalism Took Hold of Graphic Design, and How to Escape from It. 2021
Ole Nymoen, Wolfgang Schmitt: Influencer. Die Ideologie der Werbekörper. 2021
Paul Zanker: Augustus und die Macht der Bilder. 1987
Helge Hesse: Bilder erzählen Weltgeschichte. 2012
Daniel Hornuff: Hassbilder. Digitale Bildkulturen. 2020
Wolfgang Ullrich: Selfies. Digitale Bidkulturen. 2019
Christoph Asmuth: Bilder über Bilder, Bilder ohne Bilder. Eine neue Theorie der Bildlichkeit, 2011
David Teniers the Younger: Archduke Leopold Wilhelm at his picture gallery in Brussels, 1653
Annette Messager: My Vows, 1988-91
Richard Estes: Gordon’ Gin, 1968
Eric White
Apple Betriebssystem, 2022
Karin Jurick: His Hunch, 2019
Karin Jurick: Behind the News
Bilder sind Werkzeuge, vergleichbar mit Bohrmaschinen. Ihr Wert liegt in dem, was sie bewirken. Eine Bohrmaschine kann Löcher bohren. Aber auch Löcher sind nur Mittel zu Zweck. Zum Beispiel dienen sie dazu einen Dübel aufzunehmen, um mit Hilfe einer Schraube ein Bild aufzuhängen. Das Bild hängt nun nicht einfach an der Wand, sondern es wurde aufghängt um ebenfalls einen Zweck zu erfüllen. Wir beschäftigen uns deshalb nicht nur mit Bildern, sondern vor allem mit deren Bedeutung im Leben der Menschen.
»Eine Definition für das Bild kann es nicht geben, da das Phänomenspektrum, auf das der Begriff angewendet wird, dazu viel zu divers ist. Bilder sind anders als Sprache und hängen durch das Sehen unmittelbarer mit der sinnlichen Erfahrung von Welt zusammen. Die menschliche Wahrnehmung funktioniert als ein Zusammenspiel der fünf verschiedenen Sinne, die in ihrer gegenseitigen Ergänzung ein Bild von der Welt entwerfen. Milliarden von Nervenzellen registrieren äußere Reize, leiten diese in einer komplexen Verschaltung von Zellverbänden weiter und entwerfen so mentale Repräsentationen der äußeren Welt.« Gustav Frank; Barbara Lange: Einführung in die Bildwissenschaft
Wahrnehmung ist zumeist die Basis des Handelns. Auch Pflanzen und Tiere reagieren auf Wahrnehmungen, indem sie eine Form wählen, die sich in Bezug auf die Handlungsabsichten der Umwelt als erfolgreich erweisen. Auch Kinder lernen früh, sich zu verstellen, um bei anderen Personen gewünschte Handlungen zu provozieren.
Um dem Angriff eines Löwen zu entgehen, kann die Gazelle versuchen als besonders fit zu wirken, um den Löwen die Jagd als mühsam erscheinen zu lassen, oder sie kann versuchen einen kränklichen Eindruck zu vermitteln, um so zu versuchen, den Löwen abzuschrecken. Kommunikation besteht somit in der Gestaltung von Bildern, die, so die Hoffnung, Wirkung zeigen.
Entwicklungen verlaufen nicht linear. Meist sind es eine Vielzahl von Ursachen, die zu bestimmten Konsequenzen beitragen. Es gibt daher auch etliche Möglichkeiten, wie sich die Produktion und Nutzung von Bildern entwickelt haben könnte. Der Zufall spielt in der Geschichte eine nicht zu unterschätzende Rolle. Entwicklungen verlaufen oft nicht zielgerichtet, sondern ergeben sich, indem Optionen entdeckt werden, an die vorerst niemand gedacht hat.
Bilder können uns an etwas erinnern – an Ereignisse, Regeln, Gefahren … Bilder können mentale Modelle glaubhaft machen. Sie können verunsichern und irritieren. Sie können etwas sichtbar machen, was uns sonst verborgen bleibt. Sie können uns helfen, in bestimmte Stimmungen zu geraten. Sie können Wünsche in uns wachrufen. Sie können helfen, einen bestimmten Status für sich zu beanspruchen und
sie können uns beim Einprägen von Lerninhalten unterstützen.
Erst seit wenigen Jahrzehnten ist die Erzeugung von Bildern nur noch mit geringem Aufwand verbunden und leicht zu erlernen. Dadurch hat sich unser kommunikative Umgang mit Bildern grundlegend gewandelt. Dennoch verstehen sich nicht alle Bilder von selbst, sondern der Umgang mit ihnen muss gelernt werden. Insofern lässt sich auch von einem visuellen Analphabetismus sprechen.
Jede Gesellschaft hat Zeichensysteme entwickelt, die ihren spezifischen Anforderungen vermutlich gerecht werden. Dass wir heute Smartphones und »soziale Medien« nutzen, entspricht den Strukturen westlicher Gemeinschaften zueinander in Beziehung zu treten. Hier erfüllt sich scheinbar die Hoffnung nach einem selbstbestimmten Leben, welches jedoch dennoch auf die Zustimmung möglichst vieler Menschen hofft. »Soziale Medien« erlauben unverbindliche »Freundschaften.« Die Kommunikation erfolgt hier heute vorwiegend über Bilder. Aber auch hier entwickeln sich ständig neue Konventionen, die beachtet werden müssen, um in den jeweiligen »Communities« Anerkennung zu erlangen.
Nachdem es heute zunehmend möglich wird Bilder künstlich herzustellen, die einen realistischen Eindruck vermitteln, vermuten wir immer öfter, dass bestimmte Darstellungen »gefaked« sein könnten. Dabei sind auch Fotografien nicht grundsätzlich unverfälschten Abbilder einer »Realität«. Es blieb uns nie erspart zu fragen, wer uns hier was, mit welcher Absicht, zeigen möchte.
Sowohl innere, als auch gestaltete Bilder verdanken sich einem Entstehungsprozess, in dessen Verlauf sie sich in »Schleifen« erst sukzessive entwickeln. Bereits bestehende Erfahrungen beeinflussen alle unsere Wahrnehmungen. Es gibt keine Wahrnehmungen ohne »Vorurteile«, die uns helfen, etwas einzuschätzen.
»Das Gehirn leistet einen Beitrag zur Erkenntnis der Wirklichkeit, erfindet diese jedoch nicht. Das Gehirn ist der Empfänger und nicht der Produzent von Wirklichkeit. Das Gehirn zapft Teile der Wirklichkeit an. Das Gehirn selektiert und formatiert Informationen auf eine bestimmte Weise. Wir sind nicht Opfer von Simulationen, denn wir können diese durchschauen. Wir fügen jedoch unseren Wahrnehmungen etwas hinzu. Kein Gehirn ist allein. Andere greifen in unser Gehirn ein und unterstützen dadurch unsere Entwicklung zu dem was wir sind. Wir können aus uns selbst nicht im aktuellen Sinn Mensch werden.« Markus Gabriel
Bilder sind in diesem Sinn Bezugspunkte, die uns dabei helfen darüber zu streiten, was sie uns zu bedeuten haben. Auch wenn es uns nicht gelingt einer Meinung zu sein, so bekommen wir dennoch einen Begriff davon, wie etwas gesehen und dargestellt werden kann. Wir stimmen mit Hilfe von Sprache und »Bildern« unsere Vorstellungen von der Welt aufeinander ab. Es ist notwendig, solange wir Teil einer sozialen Gemeinschaft sein wollen, dominante Sichtweisen und Begriffe zu übernehmen. Wir begegnen jenen, die dies nicht können oder wollen, im Allgemeinen mit Skepsis.
»Indem Bilder ihre Betrachter nicht nur anziehen, sondern auch verletzen, wohnt ihnen eine Dialektik von Begehren und Aggression, von Auftauchen und Verschwinden inne. Bilder leiden jedoch zuerst und vor allem unter einem Mangel und damit entwickeln sie auch ein eigenes Begehren. Der ursprüngliche Mangel des Bildes besteht darin, dass Bilder Betrachter brauchen und dass sie diesen Betrachter erregen, fesseln, an sich binden und zum Objekt machen wollen. Totems, Fetische und Idole sind Dinge, die andere Dinge wollen, die Dinge verlangen, begehren und fordern. Dinge wie Geld, Blut oder Respekt. Kriegen wir das Bild zu fassen - oder kriegt es uns?« Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. 2008